Zur Bischofsmühle

  -Walzer-

"In Rieder gab es zu meiner Kindheit zwei Mühlen. Die eine, im Ort und noch gut in Schuß, wurde damals stillgelegt und beherbergt heute eine Fischzucht. Die andere kenne ich nur als Ruine, außerhalb am Waldrand gelegen. War das die unten erwähnte Bischofsmühle? Man weiß nichts genaues  - doch beschleicht mich heute noch ein ungutes Gefühl, wenn ich mich den immer weniger werdenden Überresten dieser schaurigen Gemäuer nähere."


Schlimmes Ende zweier Balkenseher 

Als die im Dreißigjährigen Krieg die völlig verfallene Bischofsmühle zu Rieder bei Marktoberdorf wieder aufgebaut werden sollte, suchten die Zimmerleute das Bauholz dazu am Auerberg aus. Eine besonders schöngewachsene, mächtige Tanne bestimmten sie als Firstbalken. Der Baum war schon am Fallen, da bemerkten die Holzarbeiter in dem dichten Gestrüpp der Äste, nicht weit überm Boden, einen gehenkten spanischen Soldaten. Einer der Säger meinte, das Beste wre, diesen Unglücksbaum sogleich zu verbrennen. Der Müller aber wollte davon nichts wissen: Der Baum könne nichts dafür, sagte er, und es sei gutes und gesundes Holz, das einen rechten Firstbalken für die Bischofsmühle abgeben knne.

Einer der Zimmerleute merkte aber, daß der Müller wohl einen Hintergedanken bei dieser Sache habe, und er fragte ihn deswegen, als sie allein waren, so lang, bis der Müller herausrückte: Wer sich in der Thomasnacht unter ein Galgenholz stelle, der sehe Unglück und Tod des nächsten Jahres voraus. Deswegen sei es doch kommod, so einen Wunderbalken in seinem Hausdach zu haben. Bis zum Herbst war die Bischofsmühle aufs neue gebaut.

In der nächsten Thomasnacht aber stellten sich zwei Männer unter den Firstbalken. Was sie da erblickten, ließ sie schwitzen und frösteln zugleich: Die ganze Nacht sahen sie sich selbander eine endlose Straße wandern; als aber der Hahnenschrei den Tag kündete, änderte sich das Bild. Am Ende der Straße stand ein Hochgericht, ein mächtiger Galgen. In diesem Augenblick jedoch läutete die Aveglocke, und das Gesicht war vorbei.

Die beiden Männer waren nach dieser Nacht krank vor Angst und Elend. Sie konnten ihr schauriges Erlebnis nicht für sich behalten, und bald erzählte man sich die Geschichte in der ganzen Gegend. Niemand wollte mehr mit den beiden zu tun haben. Denn einem Müller und einem Zimmermann, deren Weg zum Galgen führt, vertraut kein Mensch etwas an.

So hatten die zwei bald keine Arbeit mehr. Sie kamen schnell ins Unglück und sind schließlich gemeinsam fortgezogen. Irgendwo im Unterland hat der Zimmerer den Müller im Rausch erwürgt und das Hochgericht ward ihm bereitet, noch ehe die Thomasnacht kam.

Allgäuer Sagen, hrsg. Hermann Endrös und Alfred Weitnauer - mit freundlicher Genehmigung des Franz-Brack-Verlag, Altusried

zurück