Das Malefizbüchlein

  -Szene-

Musiktheater für singenden Bauer und pfludernden Teufel


Der Kluge Bauer und Das Teufelsbuch

Ein Bauer aus Weißen oberhalb Rieder bei Marktoberdorf war auf merkwürdige Weise zu einem Teufelsbüchlein gekommen. Am Sonntag auf dem Kirchenweg über den Kohlhunder Forst gesellte sich ein bürgerlich gekleideter, junger Mann zu ihm und zog ihn in ein Gespräch. Schließlich langte der Fremde ein Buch aus der Tasche und schenkte es dem Bauern mit den Worten, er solle nur immer allein und mit Bedacht darin lesen. Darauf verabschiedete sich der Spender. Unser Landsmann schaut das Ding an. Es ist in Schweinsleder gebunden und grad so groß, daß er`s leicht in die Brusttasche stecken konnte. Wie er nun aber in Oberdorf bei der Messe zur Wandlung niederkniet, da wird ihm mit einem siedheiß auf der Brust. Schon bremselt es ihm in der Nase, und er merkt, das sein Kittel raucht. Das kann nur das Malefizbüchlein sein, das er auf der Brust trägt! Eilends drückt er sich aus der Kirche hinaus. Da aber war kein Brennen, kein Rauchen und kein Schmerz mehr zu verspüren. Auch der Kittel war nicht versengt. Jetzt bekam der Weißener natürlich eine Glust auf das Büchlein, eilte heim, schloß sich in die Dachkammer ein und fing an zu lesen.

Es war, genau gennomen, lauter dummes Zeug; da stand zu lesen von wildfremden, ausländischen Dingen, die der Bauer nur mühsam buchstabieren konnte. Doch da stand nun ein merkwürdiges Zeichen, das er in der Schule weder als Buchstaben gelernt, noch je im Leben gesehen hatte. Wie er über dieses Zeichen nachdenkt, ist mit einmal wieder der Fremde in der Kammer und fragte kurz und bändig, was zu Dienste stehe. Jetzt weiß der Bauer, was es mit der ganzen Sache auf sich hat. Er weiß auch sofort, daß er den Abschnitt rückwärts lesen muß, damit er den Teufel wieder los wird; aber bis er rückwärts gelesen hat, muß er dem Teufel Arbeit geben, sonst verfällt er dem Bösen. Gott sei dank, da steht das Säckle mit dem Leinsamen! Den schüttet der Bauer vor dem Teufel aus und sagt: "Da, zähl! Aber nit zuviel und nit zu wenig!" Und während nun der Satan sich an diese tüftelige Arbeit macht, liest der Bauer fein achtsam in seinem Büchlein rückwärts. Diese Arbeit war nicht weniger tüftelig; denn wenn da auch nur ein einziger Buchstabe ausgelassen wird, gilt die ganze Leserei nichts, und der Teufel behält die Macht. Es ging aber gottlob nochmal einmal gut ab, denn es war ein großer Haufen mit tausend und abertausend Körnlein. Und obwohl der Satan zählte, daß er vor Aufregung "pfluderte", der Bauer war schneller fertig, und der Teufel mußte abziehen.

Von da an wußte der Bauer genau, wie er`s mit dem Büchlein machen mußte, damit aus dem Satan ein willfähriger Knecht wurde. Dem wurden nun alle unangenehmen und schweren Arbeiten aufgeladen, und man erzählt, es habe den Teufel bitter gereut, daß er sich mit einem Allgäuer eingelassen hatte. Immer brachte es der Bauer so hin, daß er mit dem Rückwärtslesen fertig war, ehe der Teufel seine Arbeit ganz getan hatte. Nur einmal, wenn`s nicht gereicht hätte, er wäre verloren gewesen.

Wie aber der kluge Bauer zum Sterben kam, hatte er die große Sorge, daß sein Büchlein in unrechte Hände käme, weil der Teufel dann vielleicht doch noch eine arme Seele erschnappen könnte. Und so gab er das Zauberbuch dem Pfarrer zur Vernichtung.

Allgäuer Sagen, hrsg. Hermann Endrös und Alfred Weitnauer - mit freundlicher Genehmigung des Franz-Brack-Verlag, Altusried

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